VDI 2230 Schraubenrichtlinie

VDI 2230: Die Richtlinie für sichere Schraubenverbindungen

Eine Verbindungsart, die heute allgegenwärtig ist und in fast allen Maschinen, Anlagen und Stahlbaukonstruktionen steckt, ist die Schraubenverbindung. Schrauben unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, Festigkeit und Ausführungsart (z.B. Außensechskantschraube).  Wo im Stahlbau häufig Schraubenverbindungen mit einer Mutter eingesetzt werden, sog. Durchsteckschraubenverbindung (DSV) kommen bei Maschinen und Anlagen häufig Einschraubverbindungen (ESV) vor. Dabei wird das Mutterngewinde in die Kopfplatte eingeschnitten, wo später bei der Montage die Schrauben eingeschraubt werden. Der Nachweis von Schraubenverbindungen (DSV und ESV) ist unverzichtbar, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten und Schäden an Mensch und Maschine zu verhindern.

Eine besonders gut strukturierte und verlässliche Art des Nachweises für zylindrische Einschraubenverbindungen, nicht zu verwechseln mit ESV, denn hier geht es immer um den Nachweis einer einzelnen Schraube, liefert die international anerkannte VDI 2230 RichtlinieSystematische Berechnung hochbeanspruchter Schraubenverbindungen. Abhebend von anderen gängigen Richtlinien und Normen bietet die VDI 2230 einen Nachweis für Einschraubverbindungen, den es z.B. im Eurocode 3 (DIN EN 1993) nicht gibt. Innerhalb des Nachweises werden insgesamt 13 Berechnungsschritte durchgeführt, um zu gewährleisten, dass die auftretenden Kräfte von der Schraubenverbindung und den verspannten Teilen aufgenommen werden können. Die VDI 2230 geht davon aus, dass auftretende Querkräfte durch den Reibkontakt der verspannten Teile für den Montagezustand übertragen werden, und die Verbindung primär so nur Biegemomenten und Zugkräften ausgesetzt ist.


VDI 2230: Eine systematische Erklärung der Berechnungsschritte

Im ersten Schritt R1 gilt es zunächst das Anzugsverfahren festzulegen. Diese hat einen großen Einfluss auf die vorliegenden Kräfte innerhalb der Verbindung, abhängig von dem Streufaktor. Als Beispiel ist das gängige Anziehen mittels Schlagschrauber besonders ungenau und kann zu Streuungen von mehr als 60% nach der VDI 2230 führen.

In R2 gilt es die erforderliche Mindestklemmkraft, abhängig von auftretenden Querkräften oder einer geforderten Mindestdichtklemmkraft analytisch zu bestimmen. Besonders bei komplexen Anlagen und Maschinen ist die analytische Bestimmung dieser Kräfte schwierig, weshalb hier die Ermittlung mittels Simulation einen entscheidenden Vorteil bietet.

Abhängig von der Schraube und den verspannten Teilen wird im nächsten Schritt R3 ermittelt wie sich die Betriebskraft der Schraube aufteilt und welche Längenänderungen an der Schraube zu erwarten sind. Gerade zum Bestimmen der Nachgiebigkeit der verspannten Platten eignet sich ein numerisches Detailmodell hervorragend, um hier genauste Werte zu bestimmen.

Wenn Verbindungen mehrmals angezogen bzw. gelöst werden stellt sich eine Glättung des Gewindes ein, welches zu sogenannten Setzverlusten innerhalb der Schraubenverbindung führt und die Verspannungskraft reduziert. Daher wird in R4 unter anderem abhängig von der Belastungsart der Schraube die Setzkraft berechnet die sich einstellt.

Auf Basis von den vorherigen ermittelten Werten lassen sich so die Mindest- und Maximalmontagevorspannkraft der Schraube ermitteln, welche abhängig von der Reibung und der Festigkeitsklasse unterhalb der zulässigen Montagevorspannkraft liegen müssen. Besonders hier zeigt sich der Einfluss des Anzugsverfahren, welcher zu großen Unterschieden führen kann. Im Projektalltag beraten wir als Experten an dieser Stelle häufig unsere Kunden, welche Verfahren eventuell besser geeignet sein können und finden so die optimale Lösung.

In den darauffolgenden Schritten R8 und R9 wird nachgewiesen, dass die auftretenden statischen und zyklischen Kräfte von der Schraubenverbindung aufgenommen werden können. Im Betrieb können zusätzliche Kräfte in der Schraube auftreten, welche die resultierenden Spannungen in der Schraube erhöhen, z.B. durch thermische Ausdehnungen. Es gilt hier sicherzustellen, dass die auftretenden Spannungen unterhalb der zulässigen Werte liegen, z.B. 640 N/mm² für die Festigkeitsklasse 8.8. Die zyklischen bzw. dynamischen Lasten müssen ebenfalls unterhalb der zulässigen Amplitude liegen, wobei hier besondere Abminderungsfaktoren berücksichtigt werden müssen, wie z.B. eine Feuerverzinkung.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit in R10 nachzuweisen, dass die Flächenpressung unterhalb des Schraubenkopfes innerhalb der zulässigen Werte vom Werkstoff der verspannten Teile liegt. Es wird die kleinste aufliegende Fläche und daraus eine maximale Flächenpressung bestimmt. Sollte es sich um eine Einschraubverbindung (ESV) handeln kann in R11, abhängig vom Mutternwerkstoff eine Einschraubtiefe bestimmt werden. Wenn es sich zusätzlich um eine gleitfeste Verbindung handelt, kann im vorletzten Schritt R12 die Sicherheit gegen ein Gleiten und zusätzlich Gegen ein Abscheren bestimmt werden.

Als letzter Schritt wird in Schritt R13 das erforderliche Anzugsmoment abhängig von der Reibung im Gewinde und unter dem Schraubenkopf bestimmt. Dieser Wert ist häufig von großem Interesse, um finale Angaben auf Fertigungszeichnungen zu erzeugen.


VDI 2230: Ein Fazit zur Richtlinie

Die VDI 2230 ist eine unverzichtbare Richtlinie für die sichere und effiziente Bewertung von Schraubenverbindungen. Als Dienstleister für numerische Simulationen nutzen wir diese Richtlinie täglich, um sicherzustellen, dass die von uns bewerteten Schraubenverbindungen den höchsten Standards entsprechen. Die strukturierten Abläufe, die umfassenden Berechnungsmethoden und die internationale Anerkennung machen die VDI 2230 zu einem unverzichtbaren Werkzeug in der Ingenieurspraxis. Durch die Anwendung dieser Richtlinie tragen wir dazu bei, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Konstruktionen unserer Kunden weltweit zu gewährleisten. Sollten auch Sie vor der Herausforderung stehen Ihre Schraubenverbindungen bewerten zu müssen, dann setzten Sie sich mit uns in Verbindung. Wir unterstützen Sie jederzeit mit unserer Expertise und mit vollem Engagement.

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